Vor über zehn Jahren ist dem Spieleverlag Days of Wonder mit „Small World“ ein erfolgreicher Wurf gelungen. Viele Erweiterungen später folgt nun ein Crossover mit einer der berühmtesten MMO-Marken überhaupt: „World of Warcraft“. Ob sich aus dieser Kombination auch ein neues spannendes Spielerlebnis entwickelt hat oder ob man uns einfach nur alten Wein in neuen Schläuchen schmackhaft macht? Wir haben uns an den Spieltisch gesetzt und mit zahlreichen Völker aus Blizzards Megaseller die kleine Version Azeroths besiedelt.

GEH MIR AUS DER SONNE!

Wer schon einmal „Small World“ oder eine seiner (eigenständigen) Erweiterungen gespielt hat, wird sich sofort zurechtfinden. Unser Ziel ist es, die kleine Welt – die in „Small World of Warcraft“ abhängig von der Spieleranzahl aus verschiedenen kleineren oder grösseren Inseln gebildet wird – erfolgreich zu besiedeln. Am Ende jedes Zugs erhält der Spieler dann Siegmarker gemäss der Anzahl der besiedelten Gebiete. Das Problem nur: Die Welt ist definitiv zu klein für alle Völker. Sehr schnell muss man möglichst clever die Vorbesetzer von ihren Feldern verdrängen, um an die begehrten Siegpunkte kommen zu können. Und wer nach einer vorgegebenen Anzahl Runden die meisten Siegpunkte hat, gewinnt das Spiel.

Von den 16 enthaltenen Völkern werden jeweils 6 in eine Auslage gelegt, aus denen sich die Spielenden in ihrem ersten Spielzug eines auslesen können. Jedes Volk besitzt eine Sonderfähigkeit, die es von seinen Mitstreitern unterscheidet. Blutelfen erhalten auf besetzten Feldern mit Magiesymbol einen zusätzlichen Siegmarker, Zwerge können Berggebiete einfacher erobern und die Naga im Gegensatz zu anderen Völkern See- und Meeresregionen besetzen. Jedem Volk wird beim Legen in die Auslage zudem eine von 20 Spezialfertigkeiten zugewiesen, die zusätzlich zur regulären Fertigkeit gilt.

So könnten beispielsweise Bergbau-Blutelfen auch auf Regionen mit Bergbau-Symbol einen zusätzlichen Siegmarker einfordern und Waldläufer-Zwerge einen für jedes Waldfeld.

Da sowohl die Völker- als auch die Sonderfertigkeitenplättchen unabhängig voneinander gemischt und erst beim Auslegen miteinander kombiniert werden, entstehen bei jedem Spiel unterschiedliche Voraussetzungen. Zudem werden alle Völker entweder der Allianz oder der Horde zugerechnet (mit ein paar wenigen neutralen Ausnahmen).

BESCHWERLICHE EXPANSION

Abhängig von Volk und Spezialfähigkeit erhält der Spieler zwischen 7 und 16 Volksplättchen, mit denen die Inseln Azeroths besiedelt werden müssen. Unterschiedliche Faktoren bestimmen, wie viele dieser Plättchen man einsetzen muss, um ein Areal einzunehmen. Jede neue Region erfordert prinzipiell zwei Plättchen. Handelt es sich um eine Bergregion, kostet dies ein weiteres Plättchen. Ebenso, wenn man via Hafen die Insel mit dem Volk besiedelt. Und pro Plättchen eines aktuellen oder untergegangenen Volkes (dazu gleich mehr) muss ebenfalls je ein eigenes Plättchen investiert werden. So versucht man, mit wenig Einsatz eigener Plättchen ein möglichst grosses Gebiet an Regionen zu besetzen. Am Ende seines eigenen Zuges darf man dann die eigenen Plättchen beliebig umsortieren, muss einfach pro Region mindestens ein Plättchen zurücklassen. Da Regionen mit mehr Plättchen schwieriger einzunehmen sind, muss man sich möglichst clever positionieren.

Wer übrigens mindestens eine Region einnimmt, die zuvor von der gegnerischen Fraktion (also Horde oder Allianz) besetzt war, erhält einen zusätzlichen Siegpunkt.

TÄGLICH SCHRUMPFT DAS MURMELTIER

Hat man sich einmal ausgebreitet, wird eine Expansion immer schwieriger, da immer mindestens ein Plättchen auf schon besetzten Regionen verbleibt. Zudem verliert man für jede Region, die durch einen Mitspieler erfolgreich übernommen wird, ein eigenes Plättchen. Und so kommt irgendwann der Punkt, wo man sich nicht weiter ausbreiten kann. Zu Beginn der eigenen Runde dürfen die Spielenden entscheiden, ihr Volk untergehen zu lassen. Dabei werden alle Volksplättchen auf die graue Seite gedreht. Damit markiert man eine untergegangene Zivilisation. Das untergegangene Volk verliert umgehend seine Spezialfähigkeit, und der Zug wird beendet. Natürlich erhält man weiterhin pro besetzter Region einen Siegpunkt, auch wenn sie durch eine untergegangene Zivilisation besetzt ist.

Zu Beginn der nächsten Runde darf man sich dann aus der Auslage ein anderes Volk samt neuer Sonderfertigkeit nehmen und die Besiedelung Azeroths mit frischen Vorzeichen in Angriff nehmen. Somit ist es wichtig zu wissen, wann der richtige Zeitpunkt gekommen ist, sein aktuelles Volk untergehen zu lassen.

ALLER EINSTIEG IST SCHWER

Das erste Spiel von „Small World of Warcraft“ ist wahrlich kein Zuckerschlecken. Durch die vielen Völker und die ebenso zahlreichen Sonderfertigkeiten muss man einiges im Kopf behalten, wenn es darum geht, sein erstes Volk auszuwählen. Zwar liegen immer „nur“ sechs davon in der Auslage, aber schon das führt dazu, dass man mehrmals den Übersichtsbogen konsultieren muss. Der doppelseitige Übersichtsbogen führt nicht nur alle Völker und Sonderfertigkeiten auf, sondern auch den Ablauf eines Spielzugs, die einzelnen Regionstypen und die Artefakte und legendären Orte.

Letztere werden zu Beginn des Spiels gemischt und verdeckt auf markierte Regionen gelegt. Wer diese Gebiete einnimmt, darf die Fähigkeit des Artefakts oder Orts umgehend einsetzen. Im Gegensatz zu den legendären Orten sind Artefakte mobil und können auf andere Regionen gelegt werden, die im eigenen Besitz sind.

Das Besiedeln der Inseln erfolgt dann vergleichsweise schnell, da man relativ zügig im Griff hat, wie viele eigene Plättchen das Einnehmen einer Region erfordert.

ROT GEGEN BLAU (UND ETWAS GRAU)

Als alternativer Spielmodus liegt den Regeln noch der „Battle for Azeroth“ bei, bei dem es sich um ein Teamspiel handelt. Die Spieler dürfen in dem Modus nur Völker der eigenen Fraktion verwenden: entweder die rote Horde oder die blaue Allianz. Das ändert den Aufbau der Volksauswahl etwas, im Grossen und Ganzen bleibt aber alles gleich – bis auf die Endwertung natürlich. Da wird geschaut, welcher Spieler innerhalb der Fraktion die meisten Siegpunkte hat. Und der Wert wird dann mit den anderen Werten verglichen. Es wird also nicht addiert und das Total verglichen. Bei ungerader Spieleranzahl übernimmt jemand die neutralen grauen Völker.

FAZIT

Wer „Small World“ bereits kennt und mag, wird sich ziemlich schnell zurechtfinden. Im Vergleich zum Originalspiel ist der Spielplan mit den unterschiedlichen Inseln immer etwas anders. Auch die zufällige Kombination von Volk und Sonderfertigkeit ändert sich jede Spielrunde etwas. Dabei kann es aber mal passieren, dass ein Volk (je nach Sonderfertigkeit) etwas zu stark ist und sich das Spiel schlecht ausbalanciert anfühlt.

Generell muss aber gesagt sein, dass „Small World of Warcraft“ (wie auch seine Vorgänger) kein klassisches, reines Strategiespiel ist. Natürlich erfordert es einiges an Planung und Analyse, aber der Anteil an Glückselementen ist relativ hoch. Daher eignet sich das Spiel durchaus auch als Familienspiel für ältere Kinder. Der Verlag empfiehlt es ab 10 Jahren und gibt für die zwei bis fünf Spielenden eine Spieldauer von 40 bis 80 Minuten an. In grossen Runden mit Neulingen kann es gut auch mal zwei Stunden oder länger dauern. Gerade in solchen Situationen fühlt sich das Spiel relativ zäh an, da man lange auf seinen nächsten Zug warten muss. Man kann zwar etwas planen, aber bis man wieder dran ist, ist meistens eh wieder alles anders. Das Mindestalter empfinde ich als etwas tief angesetzt. Natürlich kommt es in dem Alter schon sehr auf die Entwicklung an. Eventuell spielt sich das Werk mit 12-Jährigen etwas flüssiger – und die bringen das benötigte „Sitzfleisch“ für die ausgedehnte Spieldauer eher mit.

Wenn jedoch alle am Tisch wissen, wie der Hase läuft – und nicht mehr ständig das Übersichtsblatt konsultieren müssen -, vergeht die Zeit sehr schnell. Die tollen Illustrationen und die üppige Ausstattung von „Small World of Warcraft“ machen jede Runde zu einem Erlebnis.

Besitzer der Originalversion oder von „Small World Underground“ müssen nicht zwingend zugreifen, zumal der Preis nicht ohne ist. Zudem sind die Völker- und Spezialfähigkeit nur teilweise neu. Ob einem der variable Spielplan mit den Inseln und die Teamvariante den Preis wert sind, muss wohl jeder selber entscheiden. Ein Mischen von entsprechenden Plättchen der unterschiedlichen Versionen ist jedoch möglich. Wer also eine gigantische Auswahl an Kombinationen unterschiedlichster Völker- und Spezialfähigkeiten möchte, kann aus dem Vollen schöpfen. Auch wenn gewisse Fähigkeiten den gleichen Effekt haben, heissen sie unterschiedlich und können wieder der richtigen Schachtel zugeordnet werden (wie etwa die Hügel- oder Kräuterkunde-Spezialfähigkeit, die beide pro Hügelregion einen Siegpunkt erhalten).

Wer jedoch noch keine „Small World“-Edition im Spielregal stehen kann, darf bedenkenlos zugreifen. Bei „Small World of Warcraft“ handelt es sich um ein Spiel mit einem cleveren und erprobten Spielmechanismus, zu dem das „Warcraft“-Thema wunderbar passt und den man aufgrund der Thematik passend erweitert hat – im Gegensatz zu anderen Spielen, denen man einfach lieblos eine bekannte Figur auf die Schachtel knallt, ohne dem Grundspiel ansatzweise mehr Tiefgang oder neue Funktionen zu verabreichen. Ja, „Monopoly“, ich schaue dabei dich an. Schäm dich!

Light Mirror
Author: Light Mirror

Hallo, Ich bin der Spiegel des Lichts - ich bin Geek, Otaku und Gamer, ausserdem leidenschaftlicher Conbesucher aller Cons der Schweiz und Europa. Mir ist die Kultur, die Personen welche sich darin bewegen und alles was damit zu tun hat, sehr wichtig, darum freue ich mich, meine Sichtweisen und Berichte zu Veröffentlichen.